In der Lutherdekade lautete das Jahresthema für 2015 „Reformation – Bild und Bibel“. Aus dem Impuls, im Kirchenkreis Bayreuth ein Kunstprojekt zu den wichtigsten Bibelstellen zu veranstalten, entwickelte eine Arbeitsgruppe unter Mitwirkung des Kunstreferats daraus das Konzept, zwölf Bibelworte in zwölf Kirchengemeinden von zwölf Künstlern umsetzen zu lassen: „12[W]ORTE“, so der Titel des singulären Projekts, zu dem ein kleiner Katalog erschien.
2012 wurde zunächst eine medial unterstützte Umfrage gestartet, um herauszufinden, welche Bibelworte für die Bevölkerung des Kirchenkreises die größte Bedeutung haben. Das Echo war groß, etwa 1500 Voten gingen ein. Der alttestamentliche Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“ stand für die meisten Bürger der Region an erster Stelle. Für die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler wurde festgelegt, dass sie – neben der hohen Qualität ihrer Arbeit – ihre Wurzeln, ihren Geburts- oder ihren Wohnort im Kirchenkreis Bayreuth haben sollten. 34 wurden eingeladen, sich für das Projekt zu bewerben, 19 kamen dem nach. Aus ihnen wählte eine Jury zwölf Künstlerinnen und Künstler aus. Im selben Jahr wurden alle Gemeinden des Kirchenkreises angefragt, ob sie an dem Kunstprojekt teilnehmen wollen und „Bereitschaft (hätten), sich auf einen Dialog mit einem Künstler bzw. einer Künstlerin einzulassen und Mut, Neues und Ungewohntes zuzulassen.“ Aus den 17 Gemeinden, die geeignete Bewerbungen abgegeben hatten und auch willens waren, ein Begleitprogramm mit zu entwickeln, wählte die Arbeitsgruppe zwölf aus. Im Sommer 2013 fand schließlich ein Kolloquium mit allen Beteiligten statt – der Arbeitsgruppe, den zwölf Künstlerinnen und Künstlern sowie je zwei Vertretern der zwölf Kirchengemeinden –, um die Worte, Orte und Künstler einander zuzuordnen:
Betzenstein: Die Abendmahlsworte (1. Kor 11,23-26), Benjamin Zuber
Coburg-St. Moriz (Salvatorkirche): Das Hohelied der Liebe (1. Kor. 13,1-13), Margarethe Kollmer
Ebern: Jesu Kreuzigung und Tod (Lk 23,32-49), Gerhard Rießbeck
Gemünda: Die Schöpfung (1. Mos 1+2), Gerd Kanz
Haag und Gesees (Gipfel des Sophienbergs): „Von allen Seiten umgibst du mich“ (Ps 139), Wolfgang Stefan
Hirschaid-Buttenheim: Die Seligpreisungen (Mt 5,1-10), Ulla Reiter
Hof-Kreuzkirche: Der verlorene Sohn/der barmherzige Vater (Lk 15,11-32), Judith Siedersberger
Kirchahorn (Gößweinstein): „Der Herr ist mein Hirte“ (Ps 23), Klaus Hack
Kulmbach-Kreuzkirche: Die Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1-20), Eugen Gomringer
Münchberg: „Der Herr segne dich und behüte dich“ (4. Mos 6,24-26), Sonja Weber
Rehau: Das Vaterunser (Mt 6,9-13), Tobias Ott
Schottenstein: Die Zehn Gebote (2. Mos 20,1-17), Ute Bernhard
Am Reformationstag 2014 begann das Themenjahr „Bild und Bibel“ und mit ihm das 12[W]ORTE-Projekt. Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler stellten in der Kirche von Münchberg ihre Entwürfe vor, die dann über das ganze Jahr 2015 an den zwölf Orten zu sehen waren. Durch eine Broschüre und einen Internetauftritt wurde das Projekt bekannt gemacht, in den Gemeinden fanden begleitende Gottesdienste, Konzerte und Künstlergespräche statt. Mehr als die Hälfte der Kirchengemeinden entwickelte einen Bezug zu ‚ihrem‘ Kunstwerk und kaufte dieses nach Ende des 12[W]ORTE-Projekts an (Gemünda, Hirschaid-Buttenheim, Hof, Gößweinstein, Kulmbach, Münchberg, Schottenstein).
Die künstlerische Auseinandersetzung mit den „12[W]ORTEN“ war in großer Freiheit erfolgt. Lediglich der Bezug zur entsprechenden Bibelstelle und zum Ort wurden gewünscht. Entsprechend breit war das Spektrum der Entwürfe: Malerei, plastische Arbeiten aus Holz, Stahl oder Plexiglas, Film und Klanginstallation. Ein besonders innovatives – und zugleich besonders umstrittenes – Werk des Projekts ist die Videoarbeit des Konzeptkünstlers Benjamin Zuber zu den Abendmahlsworten für die Kirchengemeinde Betzenstein. In dem rund 17-minütigen Video „Hoc est corpus meum“ lässt Zuber, der alle Protagonisten selbst spielt, Männer in bunter Sportkleidung und Badekappen eigentümliche Handlungen in der barocken Stadtkirche von Betzenstein vollziehen: Sie singen und rezitieren die Einsetzungsworte auf Latein, sie turnen, kriechen, sitzen herum. Man versteht nicht, was da geschieht. Aber man versteht, dass die Männer das, was sie tun, mit großer Ernsthaftigkeit und offenbar nach einem festen Ritus vollziehen. Benjamin Zubers Film wirft die Zuschauer auf sich selbst zurück. Er konfrontiert uns mit der Frage, wie die Abendmahlsliturgie, dieser jahrhundertealte, vertraute Ritus, auf jemanden wirken mag, der sie nicht kennt. Sind all die Gesten, Zeichen und Worte nicht zur Gewohnheit geworden? Wissen wir immer ganz genau, was wir da eigentlich tun?
Nicht alle Zuschauer empfanden den Film als Anstoß, wieder einmal über die Sakramente und ihre Bedeutung nachzudenken. Nach der Uraufführung am Reformationstag 2014 in der Kirche von Betzenstein gab es harsche Kritik, sogar von Blasphemie war die Rede. Weitere Vorführungen fanden nur noch im Rahmen von Veranstaltungen statt, die Gelegenheit zur Diskussion boten. Die durchaus zwiegespaltene, teils extreme Resonanz zeigt, dass Benjamin Zuber einen Nerv getroffen hat. Sein Film ist von großer visueller Kraft, farbgewaltig und kompositorisch von hoher Qualität. Zuber legte von seiner Arbeit nur fünf Exemplare auf, eines davon wurde für die landeskirchliche Kunstsammlung erworben. Im Jahr 2015 gewann das Video beim internationalen Festival für experimentellen Film und Video „Bideodromo“ in Bilbao den ersten Preis.
Exemplarisch für das Projekt:
Benjamin Zuber, Video „Hoc est corpus meum“ für Betzenstein, 17 min
Zusammenschnitt des Videos
Ein Exemplar der limitierten Auflage des Videos mit Zertifikat befindet sich in der landeskirchlichen Kunstsammlung.