Ein paar Platten nur, aufgestellt wie ein Kartenhaus in der kargen Landschaft, dahinter diesig der graue Himmel. „Walhalla“, der anspruchsvoll aufgeladene Titel, den Gerhard Rießbeck seinem Gemälde gab, trifft es genau – und trifft es doch nicht.
Denn da ist das Erhabene, Monumentale, Unantastbare, das diese Architektur ausstrahlt. Als wäre sie nicht von dieser Welt, gebaut von einer unbekannten Macht, vielleicht aus Überresten einer vergangenen Zivilisation. Wer mag der Baumeister dieser Ruhmeshalle sein? Doch bei genauerem Hinsehen ist das Gebilde unglaublich fragil. Die Platten haben keinen Halt, kein Fundament. Wie soll das funktionieren? Ein Windstoß und das Ganze kippt um. Es ist genau dieser Bruch, die Spannung zwischen Erhabenheit und Armseligkeit, die Gerhard Rießbeck an diesem Sujet interessiert. Den Eindruck der Monumentalität erreicht Rießbeck, indem er die beiden tragenden Platten – eine kürzere links, eine längere in der Mitte – auf der einen Meter fünfzig breiten Leinwand weit in den Vordergrund schiebt. Eine dritte Platte scheint sich rechts anzulehnen, obenauf liegt eine weitere, spitz wie ein Pfeil. Der Maler lässt uns in Untersicht auf die Konstruktion blicken. So ist es, als stünden wir winzig klein vor dem, was sich hier vor uns auftürmt. Die kühle Farbgebung und die harten Schlagschatten einer hoch stehenden Lichtquelle unterstützen die geheimnisvolle Atmosphäre. Das Prinzip des windigen Stellagebaus kombiniert mit pathetischem Titel wie „Dom“, „Parthenon“ oder eben „Walhalla“ hat er in einer Reihe von Bildern umgesetzt. Für Rießbeck haben diese Arbeiten von der Gefühlsebene her viel mit seinen Eisbergbildern zu tun. Seine arktischen Landschaften sind von einer monumentalen Unnahbarkeit, die er auch dort durch eine ähnliche Art der Inszenierung erreicht.
Gerhard Rießbeck, der in Bad Windsheim lebt und arbeitet, erhielt im Jahr 2019 den Kunstpreis der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. In der 2008 definierten Satzung wurde unter anderem festgelegt, dass die Preisträgerinnen und Preisträger neben dem Preisgeld und der Finanzierung eines Katalogs mit dem Ankauf eines Werkes gewürdigt werden. In diesem Kontext kam die Arbeit in die landeskirchliche Kunstsammlung, die damit um ein faszinierendes Gemälde reicher ist. Die „Walhalla“ hält einen lange in Bann und wirft immer neue Fragen auf, je tiefer man sich hineinfallen lässt – um Sein und Schein, um Wahrheit und Trug. Und letztlich auch um uns selbst und die Frage, was bleibt.
Öl auf Leinwand
H. 50 cm, B. 150 cm